Jesusfigur. Was zum Nachdenken.
Jesusfigur. Was zum Nachdenken.
12. Februar 2019 um 13:22Hallo zusammen,
es wurde kürzlich nach dem Schmieden von Figuren gefragt. Hier möchte ich euch meine neuste Skulptur mal vorstellen: Jesus als Marionette.
Die Jesusfigur ist aus einem Stück geschmiedet, lediglich der Lendenschurz ist angeschweißt. Mit spalten, stauchen und ein wenig modellieren bekommt man sehr schnell sehr lebhabfte Ergebnisse, wenn man sich an die Proportionen hält.
Die Idee zu der Skulptur kam mir nachdem ich kürzlich die HDK in Schweden besucht habe und dort mit einem der Studenten lange über das Schmieden von Marionetten und die Möglichkeiten damit diskutiert habe. Auf der Heimreise kam mir die Idee eine Jesus-Marionette zu schmieden.
Was mich daran reizt, ist das Kontroverse. Zum einen Jesus als Marionette mit dem scheinbar schwebenden Spielkreuz über sich, wo sich jeder fragt wer da unerkannt die Fäden zieht. Gott? Die Kriche? Jemand anderes?
Andererseits besteht ein gewisser Kontrast zwischen der Kontrolle des Spielers und der Haltung der Figur. Durch die durchhängenden Fäden, ergibt sich der Anschein, dass die Figur die Pose aus eigener Kraft bzw. aus eigenem Willen annimmt. Der abgerissene vierte Faden unterstreicht den Eindruck, dass sich die Figur dem Willen seines Spielers entzieht und einen eigenen Willen entwickelt. (Diesen vierten Faden habe ich bewusst im Feuer verbrennen lassen um eine sich auflösende Optik zu erhalten.)
Daraus folgt ein interessanter Bogen zu der ersten Frage: Wer zieht da die Fäden? Bzw. jetzt: Wer verliert da die Kontrolle über seine Figur?
Oder verliert er die Kontrolle nicht? Die Pose selbst ist ausgerechnet genau die Pose, in welcher in der Jesus am Kreuz hängt. Ist er also durch das zerreißen der Marionettenfäden ans Kreuz gekommen? Oder hat ihn jemand bewusst "ans Kreuz gespielt"?
Eine andere interessante Idee ist, dass die Jesusfigur ohne das Einhauchen einer eigenen besonderen Bestimmung wahrscheinlich Zimmermann geworden wäre. Also von der Zimmermann-Marionette zum Jesus.
Alles in allem ergeben sich so viele interessante Gedankengänge und die Skulptur regt die meisten Betrachter zum nachdenken an. Ich habe bereits jetzt sehr viele verschiedene Interpretationen dazu gehört, was mich freut und für mich ein gutes Kunstwerk ausmacht. Ich will bei so einer Skulptur, dass die Leute nachdenken und ins Grübeln kommen. Wenn die Aussage eines Kunstwerks zu sehr vorgegeben ist, dann brauche ich keine Skulptur zu schmieden sondern kann es auch aufschreiben.
Bild 1
Bild 2
Bild 3
Bild 4
Ich hoffe euch gefällt meine Skulptur und ich bin gespannt auf eure Meinungen und Ideen!
Gruß
Willi
www.schmiedekunst-weyer.de
12. Februar 2019 um 16:44
Hallo Willi,
ich bin nun wirklich nicht gerade der Philosoph, den man zu Rate ziehen sollte, jedenfalls finde ich Deine Skulptur, mehr als gelungen. Sicherlich könnte man Deine Gedankengänge, vervollständigen oder ausweiten aber Das habe ich ganz sicherlich nicht vor, Fakt ist, Du hast Dich mit einem Thema auseinander gesetzt und erstklassig, so wie man es von Dir kennt, in die Tat umgesetzt. Vielen Dank fürs Zeigen und ich hoffe, wir dürfen noch mehr Projekte, dieser Art von Dir sehen.
Gruß aus Nordhessen
Manfred
12. Februar 2019 um 20:53
Also, Willi,
da hast Du bei mir als unreligiösem Gläubigen etliche Gedankengänge durcheinandergebracht. Was mir auffällt: Der Kerl hat eine dynamische Haltung wie ein Dirgent, er lässt sich nicht schlapp hängen und chillt da rum, sondern scheint über den 3fachen indischen Seiltrick den/das da oben zu steuern.
Bitte, bitte, noch mehr solche handwerklich sauberen Denkanstöße!!
Meinhard
da hast Du bei mir als unreligiösem Gläubigen etliche Gedankengänge durcheinandergebracht. Was mir auffällt: Der Kerl hat eine dynamische Haltung wie ein Dirgent, er lässt sich nicht schlapp hängen und chillt da rum, sondern scheint über den 3fachen indischen Seiltrick den/das da oben zu steuern.
Bitte, bitte, noch mehr solche handwerklich sauberen Denkanstöße!!
Meinhard
12. Februar 2019 um 20:55
Servus Willi.
Erst "verwöhnst" du uns mit perfekten Werkzeugen und Werkstücken und jetzt soll ich auch noch deine Poesie entschlüsseln...
Ich sehe es wie bei allen künstlerischen Arbeiten: Der Künstler setzt seine Ideen um und gibt dem Betrachter Platz für die Interpretaion... und genau so soll es sein.
LG
Walter
14. Februar 2019 um 18:57
Das ist eine wirkliche gute Darstellung, die den Betrachter zum Nachdenkeken anregt. Als Christ fühle ich mich keineswegs negativ berührt, eher das Gegenteil! Wieviele haben schon versucht den Gekreuzigten für ihre Zwecke einzuspannen. Deine Darstellung lässt durchaus die Möglichkeit zu ,das dieser sich das nicht unbedingt gefallen lässt. Ich finde es sehr anregend solche diskusionswürdigen Arbeiten zu fertigen. Das ist doch auch das Schöne an unserer Tätigkeit, die es uns ermöglicht Gefühlen, Stimmungen und Fragen Ausdruck zu verleihen.
Grüße
welud
Grüße
welud
18. Februar 2019 um 21:14
Hallo Willi,
großartige Arbeit. Da macht man sich Gedanken. Ich würde gern versuchen den Herrn Jesus nachzuschmieden, auch wenn ich mich bislang nie mit Figuren beschäftigt habe. Kannst noch ein bisschen was zur Herstellung schreiben und ein paar Maße nennen. Das wäre toll.
Ich denke seit du die Bilder gepostet hast immer mal wieder über deinen Marionettejesus nach. Es sind spannende und unheimlich zeitgemäße Fragen, die sich einem Stellen. Wer spinnt die Fäden? Wer spielt sie? Wer zerreißt sie?... Das ist gesellschaftspolitisch mindestens genauso spannend wie religiös. Meine Frau ist Religions- und Sozialpädagogin und arbeitet viel mit Jugendlichen. Ihre Erfahrung der letzten Jahre zeigen, dass es immer schwieriger für viele gerade nicht so privilgierte Jugendliche ist sich in der Welt zurechtzufinden eine eigenes Weltbild zu entwickeln und viele sich damit überfordert fühlen. Die Konsequenz ist häufig eine Flucht in Trends und Konsum ohne viel Nachdenken. Und wenn man ehrlich ist kann man Ihnen noch nicht Mal einen Vorwurf machen. Um so wichtiger ist es diesen jungen Menschen zu ermutigen kritisch zu sein und Dinge zu hinterfragen und deine Figur scheint wärer eine großartige Anregung. Mit deiner Erlaubnis würde ich in diesem Kontext gern die Bilder verwenden bzw. wenns klappt natürlich mit der nachgeschmiedeten Figur was machen.
Entschuldigt bitte den kleinen abschweifenden Exkurs.
Entschuldigt bitte den kleinen abschweifenden Exkurs.
Ich find deine Arbeit toll, vielen Dank für's zeigen.
Gruß Barnet
18. Februar 2019 um 21:50
Servus Barnet,
bei allem Respekt über Deine bzw. der Jugendarbeit Deiner Frau gegenüber möcht ich begleitend feststellen, daß sich hier alles, respektive das meiste um reine Schmiedearbeit dreht.
Nix für ungut und auch wenn es sich hier manchmal um Pädagogik handelt , so glaube zumindest ich, daß es sich nur sehr begrenzt auf Eure Bedürfnisse anpassen läßt. Ich lasse mich aber, wie immer, gerne belehren.
Grüße aus der Holledau
bei allem Respekt über Deine bzw. der Jugendarbeit Deiner Frau gegenüber möcht ich begleitend feststellen, daß sich hier alles, respektive das meiste um reine Schmiedearbeit dreht.
Nix für ungut und auch wenn es sich hier manchmal um Pädagogik handelt , so glaube zumindest ich, daß es sich nur sehr begrenzt auf Eure Bedürfnisse anpassen läßt. Ich lasse mich aber, wie immer, gerne belehren.
Grüße aus der Holledau
Unikate müssen nicht zwingend schön sein, nur einzigartig.
20. Februar 2019 um 10:02
Moin Holledauer, Moin Willi,
entschudigt bitte meine Fauxpas hier fie falsche Person angesprochen zu haben, da war ich heut morgen nicht ganz bei der Sache!
Klar gehts hier um schmieden und nicht oder nur am Rande um Pädagogik. Entschuldige wenn ich da einen falschen Eindruck erweckt hab. Aber und da werdet Ihr mir hoffe ich zustimmen bzw. Willi schreibt es ja sinngemäß selbst im letzten Absatz, sind eindrucksvolle Kunstobjekte wie diese ein großartiger Einstieg um sich mit einem Thema zu beschäftigen. Immer da wo Menschen etwas sehen und anfassen können, werden Sie kreativ und es fällt Ihnen leichter sich mit einem Thema auseinanderzusetzten. Wie das ganze dann konkret in pädagogischer Hinsicht genutzt werden kann ist eine ganz andere Frage, die hier nicht wirklich hingehört und die ich auch gar nicht stellen wollte.
Mir gehts einfach nur darum Willis großartige Idee aufzugreifen und vielleicht mit Jugedlichen darüber ins Gespräch zu kommen. Wenn uns dann nix Gescheites einfällt wie man das pädagogisch bewerkstelligt, ist das dann auch so. Würde mich freuen wenn Willi wie gesagt noch ein bisschen was zum Ausgangsmaterial und zur Herstellung schreiben könnte.
Beste Grüße aus dem gerade (immer noch) sehr grauen Hamburger Süden.
Zuletzt bearbeitet: 20. Februar 2019 um 17:34,
Barnet Skiten
20. Februar 2019 um 19:23
Hallo zusammen,
vielen Dank für die reichhaltigen Beiträge und die positive Rückmeldung!
Es freut mich sehr, dass euch die Skulptur so gut gefällt!
@Holledauer:
Bei allem Respekt(), wenn jemand inspiriert von einer künstlerischen Arbeit eine Idee aufgreifen will, dann halte ich es auch in einem Fachforum für in Ordnung, wenn derjenige auch ein paar Sätze zu den Hintergründen schreibt und erklärt, warum er die Idee so passend findet und warum er sie aufgreifen will. Es geht ja gerade bei künstlerischen Arbeiten auch darum diese zu diskutieren und in verschiedenen Kontexten zu beleuchten.
@Bertakel:
Ich finde die Idee schön mit der Figur zu arbeiten. Ich würde dir die Skulptur auch leihweise schicken, wenn du es willst.
Vorausgesetzt sie kommt heile wieder zurück und auf dem Rückweg liegt eine Flasche Rotwein mit im Paket .
Allerdings kannst du auch gerne deine eigene Version schmieden.
Hier mal was ich noch so im Kopf habe:
Der Jesus ist aus einem Flachstahl geschmiedet, 30x10 vielleicht. Beidseitig absetzen und das abgesetzte Material anstauchen. Daraus wird später der Kopf geformt. Die Arme sind einfach nur abgespalten und ein wenig ausgeschmiedet. Wenn du die Arme nun hoch klappst, kannst du den Oberkörper und das restliche Material überschmieden und so die Beine auf die selbe Breite wie den Oberkörper bringen. Für die Beine hab ich nur einmal beidseitig eingekerbt und nicht ganz durch gespalten.
Der Lendenschurz ist aus einem Stück Blech und wird angschweißt. Beim Rumwickeln überdeckt das Ende die Schweißnaht.
Der Fuß ist aus einem 3er Blech, gebohrt und von unten versteckt an die Füße des Jesus geschweißt.
Das Spielkreuz ist aus 8er Vierkant und über die Fäden mit der Figur vernietet.
Alles schön gebürstet und mit Leinöl eingelassen.
Viel Erfolg und zeig mal dein Ergebnis her, wenn du es versucht hast.
Gruß
Willi
Willi
www.schmiedekunst-weyer.de
20. Februar 2019 um 20:02
Schöne Arbeit und eine wirklich gute Anregung zum nachdenken.
Noch interessanter wäre es gewesen wenn Du nur die Bilder gezeigt hättest und die Reaktionen abgewartet hättest bevor du selbst etwas schreibst.
Darf man auf weitere Figuren oder andere künstlerische Arbeiten gespannt sein?
Schmieden lernt man am Amboß
21. Februar 2019 um 10:45
Hallo Willi,
danke für die Infos zur Herstellung. Damit kann ich arbeiten. Meine Frau und in diesem Fall auch ich sind um Ostern rum, mit Jugendlichen im Alter von 16-18 unterwegs mit denen ich mir das gut vorstellen kann. Bis dahin werde ich wohl auch mal wieder ans Feuer kommen und einen Versuch wagen.
Vielen Dank für dein Angebot, mir die Figur ggf. auch leihweise zu überlassen. Heile Rücksendung sowie die Flasche Rotwein wäre in diesem Fall natürlich oligatorisch und sofern es deinen Geschmack trifft mind. noch einen Wildsalami vom Jäger meines Vertrauens mit Sicherheit auch Ich überlege mir das mal und komme ggf. darauf zurück, wenn absehbar ist dass ich es mal wieder ans Feuer schaffe.
Beste Grüße aus dem schonwieder grauen Hamburger Süden
Bertakel